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Bunte Taucher ziehen ihre Bahnen im endlosen Datenmeer.
In Claudia Liekams Multimedia-Kunst tauchen wir in die virtuelle Welt
ein - und begegnen uns dort verwandelt wieder. Eine ungewöhnliche
Begegnung, da sie uns berührt, im digitalen Universum eine Sensation
im wahrsten Wortsinn. Distanz ist das Zauberwort der Zeit: Wir verkehren
per Datenleitung, die Liebe findet am PC statt. Gleichzeitig manifestiert
sich der Bedarf an körperlicher Nähe: Multimedial springen uns
pralle Brüste und enthaarte Männeroberkörper entgegen.
Doch die innere Leere bleibt. Denn das, was als Sinnlichkeit präsentiert
wird, ist nur virtueller Sex, seelen- und körperlose Ersatzbefriedigung.
Selbst wenn wir gerne Cyberwesen wären, unser Körper läßt
uns nicht los. Keine Tastatur, kein Bildschirm, kein Joy-Stick kann die
Berührung zwischen zwei Menschen ersetzen, die wir doch scheuen,
weil sie mit Leichtigkeit die Mauern der mühsam aufrechterhaltenen
Distanz stürmt. Es ist so einfach: Je weiter wir uns von unserer
natürlichen Körperlichkeit entfernen, desto stärker wird
in uns die Sehnsucht nach Nähe.
Das leichte Ziehen, das wir im Wunsch nach Berührung und Nähe
verspüren, findet sich in Liekams Arbeiten wieder - als Form, Bewegung
und Farbe. Männliches und weibliches Prinzip treffen bei ihr unmittelbar
aufeinander. Hier brandet das Datenmeer direkt an den Körper.
Claudia
Liekam bildet nicht den schönen Schein ab, nicht die Oberfläche
der Hochglanzwelt, in der jeder etwas anderes sein möchte, als er
oder sie ist und sich als virtuelles Wesen ohne Erinnerung neu schafft.
Claudia Liekam transzendiert die Wirklichkeit und zeigt uns die Erinnerung:
Denn unser Körper sagt mehr, als wir denken oder zulassen wollen.
Genau das fördert sie in ihren Bildern und Videoobjekten zutage.
Vorwitzig stellt sie die Welt auf den Kopf: Erdgerichtete Körperteile
werden zu leichten Schmetterlingen, Menschenfleisch wird zu Fruchtfleisch,
Körper werden zu sanft geschwungenen Landschaften. Claudia Liekam
erlaubt uns einen Blick auf das, was die binäre Welt verbirgt: Emotionen,
Verzauberung, Erotik, aber auch Ängste und Verlangen. Das, was in
den Bildern und Videoobjekten aufscheint, ist die Idee eines Seins, in
dem Mensch und technisierte Welt zusammenpassen und nicht das eine das
andere dominiert. Sozusagen die Vernetzung von Menschsein und Menschenerfindung.
Claudia Liekam provoziert mit ihrer Unmittelbarkeit - sie fordert unsere
Wahrnehmung und Fantasie heraus: "Jeder sieht nur das, was er selber mitbringt."
Ihre Bilder werden zur Projektionsfläche unserer Sehnsucht.
Sylvia Knittel |