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Claudia Liekam im Gespräch mit Sylvia Knittel
(Kuratorin, Hamburg)

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Was ist Multimedia-Kunst?

Zunächst eine Klarstellung: Im Grunde genommen heißt Multimedia-Kunst, sich für den künstlerischen Ausdruck verschiedener Medien zu bedienen. Das hat man in allen Jahrhunderten getan. Multimedia hat sich nur in den letzten Jahren als Begriff etabliert, der
- vor allem im Computer - miteinander kombinierte technische Medien zusammenfasst.
Ich setze die modernen Medien für meine Kunst auf ganz unterschiedliche Art und Weise ein. Ich mache Videobjekte, Rauminstallationen mit Videoprojektionen und Hybridbilder, das sind Digitaldrucke auf Leinwand oder Diavographien.

Warum gerade Multimedia-Kunst?

Ich bin zur Multimedia-Kunst gekommen, weil ich festgestellt habe, dass ich mit der abstrakten, technischen Welt sehr gut umgehen kann, ohne die Kreativität zu verlieren.
Und das ist eine besondere Fähigkeit. Außerdem gehe ich schon 17 Jahre mit dem
Computer um, er ist ein selbstverständliches Medium für mich.
Oft ist Multimedia-Kunst technisch überfrachtet und kalt. Das interessiert mich nicht. Im Gegenteil: Bei meiner Arbeit entstehen ganz zarte, emotionale Kunstwerke. Wenn man mit ihr umgehen kann, hat die virtuelle Welt viel Wärme und Charme.
Ich beziehe den Computer bewusst in den künstlerischen Schaffensprozess ein. Er ist nicht nur das Ausgabemedium, sondern auch gestaltender Faktor, indem er die Gestaltungsmöglichkeiten einerseits durch die technischen Möglichkeiten erweitert, andererseits aber auch durch seine letztlich beschränkten Fähigkeiten wieder limitiert. Wohlgemerkt:
Nicht die Möglichkeiten des Computers machen meine Kunst, sondern das, was als
Vorstellung zuerst in mir selbst entsteht.

Warum spielt der Körper in deinen Arbeiten eine so große Rolle?

Mich fasziniert der körperlose Raum in der virtuellen Welt, der aber durch einen realen Körper, der die Maschine betätigt, überhaupt erst geschaffen und organisiert wird. Meine Arbeiten beschäftigen sich damit, wie sich der Mensch mit seiner ganzen Sinnlichkeit in diesem Raum wiederfindet.
Erstaunlich ist: Die Bilder des Körpers, die durch die Maschine transformiert werden, berühren die Menschen auf eine ganz besondere Weise.
Für die Hybridbilder werden Körperpartien direkt eingescannt, das erzeugt eine besondere Form von Unmittelbarkeit und Nähe. Die Videos sind sozusagen Körper-Bilder, die das Element Bewegung enthalten, was beim Scan nicht möglich ist. Die Videos erzählen keine Geschichten im Sinne von linear angelegter Handlung, die bewegten Bilder sind übereinander gelegt wie Schichten eines Gemäldes.

Eine besondere Art von Hybridbildern sind deine Schmetterlinge.

Die Schmetterlinge sind Frauenportraits. Inspiriert wurde ich durch die Frauenbilder des Symbolismus, wie den Portaits von Dante Rossetti oder Edward Burne-Jones. Die Bilder sind sehr sinnlich, hier sind keine Mutterfiguren abgebildet, sondern intellektuelle Frauen, wie beispielsweise Lilith, die sich ihrer Schönheit wohl bewusst sind. Ich habe eine künstlerische Form gesucht, die für Frauen in der heutigen Zeit angebracht ist.
Die Schmetterlinge vermitteln ein modernes Frauenbild, die Frauen sind sich ihrer ganz besonderen, exquisiten Schönheit bewusst. Und sie heben sich in ihrer Natürlichkeit ab von der immer weiter gesteigerten Künstlichkeit des derzeitigen Frauenbildes, das Frauen wie Männer von ihrem eigenen Körper entfremdet.
Je mehr ich mich mit den Schmetterlingen beschäftigt habe, umso mehr hat sich das Thema aufgefächert. Beispielsweise: Die Schmetterlinge haben einen Verpuppungsprozess hinter sich und zu ihrer wahren Schönheit gefunden. Oder die Mythologie: Die negative Form des Schmetterlingsbildes ist der Kelch, dieser wiederum steht in einem Bezug zum Schoß der Frau.
Erstaunlicherweise sind viele Männer irritiert, wenn sie die Schmetterlingsbilder betrachten. Vielleicht hat das mit der Möglichkeit eines offen zur Schau getragenen Begehrens zu tun, das gleichzeitig fasziniert und Angst einflößt. Das war übrigens auch so bei den Symbolisten: Ihre Frauengemälde waren der prüden Gesellschaft viel zu erotisch.

Die Reaktion auf deine Arbeiten ist oft sehr emotional. Warum regt deine Kunst so auf?

Multimedia-Kunst wird offensichtlich ein hoher Realitätsgehalt zugeordnet. Eine Zeichnung wird als weniger real eingestuft, weil der Filter des Künstlers viel offensichtlicher dazwischengeschaltet ist. Man nimmt an, dass der Künstler sein Motiv idealisiert hat.
Fotografie wie Computerkunst scheinen als objektive Künste gewertet werden, die die Wirklichkeit 1:1 abbilden und eher Dokumentations-Charakter haben. Dabei spielt hier der Blickwinkel des Künstlers eine mindestens genauso große Rolle, wie in jeder anderen Kunstform. Auch als Multimedia-Künstlerin nehme ich die Welt selektiv wahr.
Das Rohmaterial Scan oder Videobild verändert sich im künstlerischen Prozess sehr stark. Vieles entsteht im Kopf des Betrachters; nicht alles ist das, was es scheint - da hat es schon sehr komische Verwechslungen gegeben.

Wie wichtig ist für deine Kunst die Aktualität?

Ich bewege mich mit meiner Kunst in der Jetztzeit. Sie ist aktuell und reflektiert heutige Befindlichkeiten mit heutigen Medien. Aber bei aller Aktualität sind wir ja nicht nur moderne Menschen, die sich hochspezialisierter Technik bedienen und in einer schnellen Welt leben. Denn wir leben auch die Erinnerungskultur, die uns in Traditionen verwurzelt und uns als soziale Menschen bestimmt.
Diese Dualität findet sich auch in meinen Arbeiten: Die Kunst aus der virtuellen Welt zeigt dezidiert Körper. Manche Digitaldrucke sind auf stoffiger, griffiger Leinwand. Manche Videoobjekte präsentiere ich in einem altehrwürdigen geschnitzten oder vergoldeten Rahmen.

10.3.2001

   
last update: 28 April 2018