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Was ist Multimedia-Kunst?
Zunächst eine Klarstellung: Im Grunde genommen heißt Multimedia-Kunst,
sich für den künstlerischen Ausdruck verschiedener Medien zu
bedienen. Das hat man in allen Jahrhunderten getan. Multimedia hat sich
nur in den letzten Jahren als Begriff etabliert, der
- vor allem im Computer - miteinander kombinierte technische Medien zusammenfasst.
Ich setze die modernen Medien für meine Kunst auf ganz unterschiedliche
Art und Weise ein. Ich mache Videobjekte, Rauminstallationen mit Videoprojektionen
und Hybridbilder, das sind Digitaldrucke auf Leinwand oder Diavographien.
Warum gerade Multimedia-Kunst?
Ich bin zur Multimedia-Kunst gekommen, weil ich festgestellt habe, dass
ich mit der abstrakten, technischen Welt sehr gut umgehen kann, ohne die
Kreativität zu verlieren.
Und das ist eine besondere Fähigkeit. Außerdem gehe ich schon
17 Jahre mit dem
Computer um, er ist ein selbstverständliches Medium für mich.
Oft ist Multimedia-Kunst technisch überfrachtet und kalt. Das interessiert
mich nicht. Im Gegenteil: Bei meiner Arbeit entstehen ganz zarte, emotionale
Kunstwerke. Wenn man mit ihr umgehen kann, hat die virtuelle Welt viel
Wärme und Charme.
Ich beziehe den Computer bewusst in den künstlerischen Schaffensprozess
ein. Er ist nicht nur das Ausgabemedium, sondern auch gestaltender Faktor,
indem er die Gestaltungsmöglichkeiten einerseits durch die technischen
Möglichkeiten erweitert, andererseits aber auch durch seine letztlich
beschränkten Fähigkeiten wieder limitiert. Wohlgemerkt:
Nicht die Möglichkeiten des Computers machen meine Kunst, sondern
das, was als
Vorstellung zuerst in mir selbst entsteht.
Warum spielt der Körper in deinen Arbeiten eine so große
Rolle?
Mich fasziniert der körperlose Raum in der virtuellen Welt, der
aber durch einen realen Körper, der die Maschine betätigt, überhaupt
erst geschaffen und organisiert wird. Meine Arbeiten beschäftigen
sich damit, wie sich der Mensch mit seiner ganzen Sinnlichkeit in diesem
Raum wiederfindet.
Erstaunlich ist: Die Bilder des Körpers, die durch die Maschine transformiert
werden, berühren die Menschen auf eine ganz besondere Weise.
Für die Hybridbilder werden Körperpartien direkt eingescannt,
das erzeugt eine besondere Form von Unmittelbarkeit und Nähe. Die
Videos sind sozusagen Körper-Bilder, die das Element Bewegung enthalten,
was beim Scan nicht möglich ist. Die Videos erzählen keine Geschichten
im Sinne von linear angelegter Handlung, die bewegten Bilder sind übereinander
gelegt wie Schichten eines Gemäldes.
Eine besondere Art von Hybridbildern sind deine Schmetterlinge.
Die Schmetterlinge sind Frauenportraits. Inspiriert wurde ich durch die
Frauenbilder des Symbolismus, wie den Portaits von Dante Rossetti oder
Edward Burne-Jones. Die Bilder sind sehr sinnlich, hier sind keine Mutterfiguren
abgebildet, sondern intellektuelle Frauen, wie beispielsweise Lilith,
die sich ihrer Schönheit wohl bewusst sind. Ich habe eine künstlerische
Form gesucht, die für Frauen in der heutigen Zeit angebracht ist.
Die Schmetterlinge vermitteln ein modernes Frauenbild, die Frauen sind
sich ihrer ganz besonderen, exquisiten Schönheit bewusst. Und sie
heben sich in ihrer Natürlichkeit ab von der immer weiter gesteigerten
Künstlichkeit des derzeitigen Frauenbildes, das Frauen wie Männer
von ihrem eigenen Körper entfremdet.
Je mehr ich mich mit den Schmetterlingen beschäftigt habe, umso mehr
hat sich das Thema aufgefächert. Beispielsweise: Die Schmetterlinge
haben einen Verpuppungsprozess hinter sich und zu ihrer wahren Schönheit
gefunden. Oder die Mythologie: Die negative Form des Schmetterlingsbildes
ist der Kelch, dieser wiederum steht in einem Bezug zum Schoß der
Frau.
Erstaunlicherweise sind viele Männer irritiert, wenn sie die Schmetterlingsbilder
betrachten. Vielleicht hat das mit der Möglichkeit eines offen zur
Schau getragenen Begehrens zu tun, das gleichzeitig fasziniert und Angst
einflößt. Das war übrigens auch so bei den Symbolisten:
Ihre Frauengemälde waren der prüden Gesellschaft viel zu erotisch.
Die Reaktion auf deine Arbeiten ist oft sehr emotional. Warum
regt deine Kunst so auf?
Multimedia-Kunst wird offensichtlich ein hoher Realitätsgehalt zugeordnet.
Eine Zeichnung wird als weniger real eingestuft, weil der Filter des Künstlers
viel offensichtlicher dazwischengeschaltet ist. Man nimmt an, dass der
Künstler sein Motiv idealisiert hat.
Fotografie wie Computerkunst scheinen als objektive Künste gewertet
werden, die die Wirklichkeit 1:1 abbilden und eher Dokumentations-Charakter
haben. Dabei spielt hier der Blickwinkel des Künstlers eine mindestens
genauso große Rolle, wie in jeder anderen Kunstform. Auch als Multimedia-Künstlerin
nehme ich die Welt selektiv wahr.
Das Rohmaterial Scan oder Videobild verändert sich im künstlerischen
Prozess sehr stark. Vieles entsteht im Kopf des Betrachters; nicht alles
ist das, was es scheint - da hat es schon sehr komische Verwechslungen
gegeben.
Wie wichtig ist für deine Kunst die Aktualität?
Ich bewege mich mit meiner Kunst in der Jetztzeit. Sie ist aktuell und
reflektiert heutige Befindlichkeiten mit heutigen Medien. Aber bei aller
Aktualität sind wir ja nicht nur moderne Menschen, die sich hochspezialisierter
Technik bedienen und in einer schnellen Welt leben. Denn wir leben auch
die Erinnerungskultur, die uns in Traditionen verwurzelt und uns als soziale
Menschen bestimmt.
Diese Dualität findet sich auch in meinen Arbeiten: Die Kunst aus
der virtuellen Welt zeigt dezidiert Körper. Manche Digitaldrucke
sind auf stoffiger, griffiger Leinwand. Manche Videoobjekte präsentiere
ich in einem altehrwürdigen geschnitzten oder vergoldeten Rahmen.
10.3.2001 |